Clubben in der Pandemie (Teil 1) — der Hype um Clubhouse

Vor vier Tagen schwappte sie über mich: die Clubhouse-Welle. Menschen treffen, gute Unterhaltungen führen, gute Musik hören und dazu vielleicht noch einen Drink — ‚clubben‘ ohne Ende in mitten der Pandemie. Klingt verlockend, oder? Doch was steckt hinter der neuen Hype-App aus dem Silicon Valley? Ein persönliches (Zwischen-)Fazit.
Bereits seit einigen Wochen habe ich eigentlich genug von sozialen Medien. Immer die gleichen Themen, immer die gleichen Kontakte und Meinungen, extrem viele inhaltsleere Posts, die rein an Werbung und Selbstdarstellung erinnern. Letztlich ist alles gesagt, es gibt wenig neue Impulse in meinen bevorzugten sozialen Netzwerken Twitter, LinkedIn und Instagram. Dementsprechend ist der Aufwand groß, um eine vielfältige, internationale Auswahl an Beiträgen in den Timelines der verschiedenen Kanäle angezeigt zu bekommen, die für mich einen Mehrwert bieten. Eine längere Auszeit im Dezember und die Verbannung der Apps von meinen mobilen Geräten schien nach einer wenig erfolgreichen Aufräumaktion der Timelines die Lösung, um mich wieder auf relevante Inhalte mittels fokussierter Recherche zu konzentrieren.
Dann kam die Frage, ob ich Interesse an einer Einladung ins Clubhouse hätte. Natürlich über einen dieser Kanäle, nämlich Twitter. Ich hatte von der neuen, heißen Social Media-App aus dem Silicon Valley bereits gehört und war aus fachlichen Gründen neugierig. Wer mit Tech-Start-Ups arbeitet, insbesondere zu strategischen Marketingfragestellungen, sollte wissen, was gerade an Neuheiten entwickelt wird und wie sie funktionieren. Am besten im Selbsttest. Und dann noch mit dem Fokus auf Content zu meinen Herzensthemen. Die Erwartungen waren dementsprechend hoch.
Die App selbst kann man mit einem Radio vergleichen. Es gibt eine nahezu unerschöpfliche Auswahl an Sendungen (Clubs oder Räume) in die man reinhören kann und — das ist der Unterschied — mit der Möglichkeit sich selbst zu beteiligen. Einfach per Klick die Hand heben und die Moderator:in kann die Zuhörer:innen in die Sendung aktiv reinholen.
Die Auswahl der vorgeschlagenen Sendungen speist sich aus der Angabe von Interessen sowie Mitgliedern denen man folgt. Jedes Mitglied hat die Möglichkeit ein Profil anzulegen, eigene Sendungen zu starten und Kontakten eine laufende Sendung zu empfehlen (‚pingen‘). Zusätzlich kann man mit Mitgliedern eine 1:1-Unterhaltung starten. D.h. das Clubhouse ist vergleichbar mit LinkedIn-Gruppen — auf Audiobasis.
Soweit also im Grunde wenig Neues. Und doch gibt es etwas, was für mich einen besonderen Reiz ausmacht: Die Filterbubble der App besteht automatisch hauptsächlich aus neuen Kontakten und unbekannten Sendungen. Denn das Clubhouse ist exklusiv — nur auf Einladung. Und derzeit kann jedes Mitglied lediglich zwei neue Mitglieder einladen. Weitere Einladungen müssen durch aktive Beteiligung (z.B. Hosten eines Raumes) erarbeitet werden. Dies führt zwar dazu, dass man in der Regel nicht komplett ohne Kontakte da steht, und doch Abenteuerlust dazugehört, um neue Kontakte zu knüpfen und Clubs/Räumen beizutreten, Mitgliedern zu folgen, Fragen zu stellen und so seinen Blick auf die Welt zu weiten. Das, was andere soziale Medien für mich inzwischen eher langweilig macht, wird aufgebrochen.
Tagsüber bis weit in den Abend hinein finden interessante Gespräche, speziell zu Fachthemen wie beispielsweise Unternehmensgründung/Startup, (Deep)Tech, digitale Transformation und Marketing statt. Abhängig von den selbstgewählten Themenfeldern ist letztlich alles dabei. Von ‚African Female Founder‘ über ‚Indian Tech Talk‘ bis hin zum internationalen Buchclub. Durch die internationalen Mitglieder sehr erfrischend und mit völlig neue Perspektiven, die das eigene Denken triggern, zum Nachdenken anregen und auch schon mal den ein oder anderen Glaubenssatz auf den Kopf stellen. Für mich insofern besonders spannend, als dass die Interaktivität durch Zuhörende eine ganz neue Dynamik in die Unterhaltungen bringen und Fragen in Echtzeit beantwortet werden. Eine asynchrone Kontaktaufnahme und zeitintensive, nachfassende Recherche entfällt damit vielfach.
Generell findet in den von mir bisher besuchten Clubs und Räumen eine größere Interaktion zwischen den Talkgästen und Zuhörenden statt als bspw. in Linkedin-Gruppen. Ob das an den hochwertigen Gesprächsinhalten oder an der Echtzeit-Interaktion liegt oder dem Wunsch entspringt, Punkte für weitere Einladungen zu sammeln, vermag ich nicht zu beurteilen. Fakt ist, dass ich bisher kaum eine Unterhaltung gefunden habe, in der nicht mindestens vier Sprecher:innen inklusive Moderator:in involviert waren.
Insbesondere die deutschsprachige Community wächst in den letzten Tagen extrem schnell. Der FOMO-Effekt zieht Bitten um Einladungen magisch an, sobald bekannt wird, man ist im Club. Was leider auffällt: Es sind sehr wenige deutschsprachige Frauen in Räumen zu finden. Das muss sich definitiv ändern!
Die deutschsprachigen Räume sind zu jeder Uhrzeit sehr gut besucht, der Fokus liegt überwiegend auf der Startup- und Tech-Szene. Das verwundert nicht, da die Community im Silicon Valley gestartet wurde und die Einladungen entsprechend aus der Szene zu uns herüber geschwappt sind. Der Hype um die App speist sich u.a. auch dadurch, dass einige US-Tech-Stars und der Entertainment-Branche Mitglied sind. Dazu zählen u.a. der VC Ben Horowitz, Schauspieler Ashton Kutcher und Talkmasterin Oprah Winfrey. Insbesondere die beiden Clubhouse-Gründer Paul Davidson und Rohan Seth sollen regelmäßig in Räumen vorbeischauen und sich direkt bei den Mitgliedern Feedback zur App und deren Nutzung abholen.
Aus fachlicher Sicht stellt sich für mich in erster Linie die Frage nach dem Geschäftsmodell von Clubhouse. Derzeit ist die Mitgliedschaft kostenlos. Auch ‚Sponsored‘ Clubs oder Werbung sind noch nicht zu finden. Vereinzelt wird von Mitgliedern mehr oder weniger bewusstes Product Placement betrieben. D.h. anhand des eigenen Produktes werden Erfahrungen ausgetauscht oder Expert:innen um Rat gefragt. Letztlich wie auf einer normalen Party oder bei einer Club-Bekanntschaft eben auch. Alles in einem Rahmen, der für mich aktuell noch angenehm und eher lehrreich ist. In Kürze soll es weitere Informationen zur Monetarisierung der Clubs und Räume sowie auch der Plattform selbst geben. Naheliegend sind eine Art Subscription Modell für bestimmte Clubs oder auch ein Donation-Button.
Die App bietet aktuell noch alle Möglichkeiten eigene Clubformate aufzusetzen. Für Unternehmen aus Marketingsicht sehr interessant. Musikkünstler nutzen das Format bereits entsprechend — speziell in der Nacht. Ratgebersendungen oder Diskussionsrunden, Lesungen und interaktive Konferenzformate sowie der Austausch von Best Practices liegen auf der Hand. In einem Raum wurde die Durchführung von Workshops diskutiert, was ich mir als visueller Mensch allerdings weniger vorstellen kann. Dies sind nur erste, offensichtliche Ideen. Dass sich mit reinen Content-Formaten Geld verdienen lässt ist für mich zumindest mittel- bis langfristig sehr fraglich. Dazu ist Clubhouse m.E. wie alle anderen sozialen Medien nur sehr eingeschränkt geeignet, selbst wenn auch hier einige wenige Influencer:innen sehr erfolgreich werden. Als Kommunikationschannel und für Trendanalysen wird Clubhouse m.E. stärker relevant sein.
Kurz gesagt: Für mich ist Clubhouse eine echte Bereicherung der Social Media-Landschaft. Und das schreibe ich, obwohl ich so gut wie kein Radio oder Podcasts höre, sondern viel lieber lese. Das Ziel, inspirierende, kurzweilige, teilweise spontane Partygespräche entstehen zu lassen, wird erreicht und ist eine wahre Wohltat zwischen all den digitalen Networking-Events auf Zoom, YouTube und in anderen Streaming- bzw. Videodiensten. Es bleibt zu beobachten, wie es sich weiter entwickelt, wenn die Mitgliederzahl steigt und sich dementsprechend Content und Interaktion mit dem Mainstream wandeln.